Herbst...

Liebe Lesende,

beim Stöbern durchs Bücherregal bin ich wieder einmal auf Georg Trakl gestoßen. Seit meiner Jugendzeit ein Schriftsteller, der mich fasziniert. Ich denke mir: Bevor ich jetzt selber wieder „kluge Gedanken“ von mir gebe, mute ich Ihnen zu, sich Zeit zu nehmen und sich Ihre eigenen Gedanken zum folgenden Gedicht zu machen.

„Herbst

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg‘ ich der Vögel wundervollen Flügen,

Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

 

Hinwandelnd durch den nachtverschloßnen Garten,

Träum‘ ich nach ihren helleren Geschicken,

Und fühl‘ der Stunden Weiser kaum mehr rücken –

So folg‘ ich über Wolken ihren Fahrten.

 

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.

Ein Vogel klagt in den entlaubten Zweigen

Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

 

Indess‘ wie blasser Kinder Todesreigen,

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern

Im Wind sich fröstelnd fahle Astern neigen.“*

 

Kommen Sie gut durch diesen Herbst!

 

Das wünscht Ihnen Ihr Pfarrer

 

Walter Schmiedel

 

 

*[zit. Georg Trakl. Das dichterische Werk, München 41977, S. 133]