Beziehungsweise

Herbst...

Liebe Lesende,

beim Stöbern durchs Bücherregal bin ich wieder einmal auf Georg Trakl gestoßen. Seit meiner Jugendzeit ein Schriftsteller, der mich fasziniert. Ich denke mir: Bevor ich jetzt selber wieder „kluge Gedanken“ von mir gebe, mute ich Ihnen zu, sich Zeit zu nehmen und sich Ihre eigenen Gedanken zum folgenden Gedicht zu machen.

„Herbst

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg‘ ich der Vögel wundervollen Flügen,

Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

 

Hinwandelnd durch den nachtverschloßnen Garten,

Träum‘ ich nach ihren helleren Geschicken,

Und fühl‘ der Stunden Weiser kaum mehr rücken –

So folg‘ ich über Wolken ihren Fahrten.

 

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.

Ein Vogel klagt in den entlaubten Zweigen

Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

 

Indess‘ wie blasser Kinder Todesreigen,

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern

Im Wind sich fröstelnd fahle Astern neigen.“*

 

Kommen Sie gut durch diesen Herbst!

 

Das wünscht Ihnen Ihr Pfarrer

 

Walter Schmiedel

 

 

*[zit. Georg Trakl. Das dichterische Werk, München 41977, S. 133]

 

Drei Möglichkeiten tun sich auf…

Liebe Lesende,

wenn Sie diese Zeilen vor Ihren Augen vorübergleiten lassen, geht oder ist bereits die Osterzeit zu Ende. Pfingsten, der fünfzigste Tag, schließt ab, was in der Osternacht mit dem Ruf „Christus ist auferstanden“ begonnen hat. Ein Ende ist immer aber auch ein Anfang. Der steht seit dem Pfingstereignis unter der Zusage und Zugabe des Geistes Gottes. Den verheißt Jesus seinen Jüngern unter vielen Darlegungen auch mit dem Versprechen: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen… ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll…“ [Joh 14,18.16]. Damit können wir etwas anfangen, denn wir fangen täglich immer wieder an, zumindest jeden neuen Tag. Dabei dürfen wir uns darauf stützen, dass wir nicht dauernd uns selbst neu erfinden müssen, dass wir nicht ausnahmslos allein auf uns selbst gestellt sind, dass nicht mein Ich den gesamten Anforderungsrahmen ausfüllen muss, sondern dass ich auf Gottes Hilfe setzen kann. Spannend dabei ist nur, wie sich diese ereignet. Drei Möglichkeiten tun sich auf: nach meinen Vorstellungen, anders als meine Vorstellungen oder sogar gegen meine Vorstellungen. Es ist eben Sache des Gottesgeistes, dass er wirkt wie er will. Gerade dieser Beistand aber macht frei. Der Apostel Paulus wusste davon und hat es erfahren, wenn er schreibt: „wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ [2 Kor 3,17] Dem nachzuspüren bleibt uns die Aufgabe, um den Heiligen Geist zu bitten, etwa mit Worten aus der Sequenz des Pfingstsonntags, die ursprünglich aus der Feder des Stephan Langton stammt: „Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt. Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit.“

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest und darüber hinaus viele Tage der Freiheit

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel

Jesus lebt – so singen wir Christen in einem berühmt berüchtigten Lied mit dem Text des Moralphilosophen Christian Fürchtegott Gellert [1715-1769] am Schluss der Osternachtfeier, diesem wichtigsten katholischen Gottesdienst im ganzen Jahr, der die fünfzigtägige Osterzeit einleitet.

Jesus lebt – was für eine Behauptung. Ist sie einzureihen in solche nie verstummende Parolen wie „Elvis lebt“? Oder ist sie einzuordnen in die in umgekehrte Richtung gehende belanglose Kritzelei eines gelangweilten Philosophiestudenten, der in die Hörsaalbank schnitzte: „Platon ist tot, Aristoteles ist tot, mir geht es auch schon ganz schlecht“? Oder stellt sich dieses Bekenntnis doch ganz anders dar?

Folgen wir dem Text weiter, dann heißt es da: „Jesus lebt, mit ihm auch ich!“ Hier tut sich dann das österliche Geheimnis unseres christlichen Glaubens auf, das nicht einfach auf kirchliches Feiern zu reduzieren oder in kirchenamtlichen Papieren festzuschreiben ist.

Jesus lebt – das eröffnet eine Existenzdimension, die mir signalisiert: ich muss mich nicht selbst erfinden oder rechtfertigen, ich darf gottgewollt da sein und ich darf eine Freiheit genießen, die durch nichts und niemand, nicht einmal durch den Tod eingegrenzt werden kann. Jesus lebt – das ist Angebot der Auferstehung Jesu, das ich annehmen kann, wenn ich versuche, nach seiner Weisung, unter seinem Vorbild und mit seiner Begleitung und Hilfe mein alltägliches Leben zu gestalten.

Was daraus werden könnte, für jemand, der sich darauf einlassen will, schildert Gellert im weiteren Textverlauf: „Er, er lebt und wird auch mich, von den Toten auferwecken. Er verklärt mich in sein Licht; dies ist meine Zuversicht.“ [S. den gesamten Text unter GL 336]

Diese Zuversicht wünsche ich Ihnen zum Osterfest 2023, zumal wir – verpflichtet unserem Getauft- und Gefirmtsein – uns anspornen lassen können vom Grußwort Jesu im Evangelium zum Abschluss der Osterzeit, am Pfingstsonntag, das wie den Jüngern damals nicht minder uns gilt: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ [Joh 20,21]

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel

Liebe Leserin, lieber Leser,

drei f, keine kleinen sondern große F, könnten uns die kommenden 40 Tage begleiten:

F wie Friede

Seit genau einem Jahr herrscht Krieg gegen die Ukraine. So oft wird das thematisiert, dass die Gefahr besteht, dessen überdrüssig zu werden und das unsägliche Leid zu verharmlosen, das gerade die „Kleinen“ so unverhältnismäßig stark trifft. Welche Schicksale in der Zivilbevölkerung und welche Herausforderung, Flüchtenden adäquat zu begegnen. Uns bleibt nur, nein, nicht nur sondern gerade, für den Frieden zu beten – immer wieder und dauernd. Nicht zuletzt, weil Jesus Christus den Frieden nicht vorschreibt sondern uns anwünscht, ja, erbittet. Friede sei mit euch – mit diesen Worten begrüßt und begegnet Jesus denen, die an ihm festhalten. [Vgl. Joh 20,19.21 u.ö.] Beten wir deshalb darum, das Unsere zum Frieden beizutragen, und bitten wir, dass jene, denen hier in vielfältiger Weise Machtmittel gegeben sind, verantwortlich gegenüber den Menschen zum Frieden wirken.

F wie Freude

Die schwindende Informiertheit über religiöse Inhalte, die zunehmenden Austrittszahlen, die abnehmenden Gottesdienstbesuche, die argumentationslos vorgebrachte Kritik und was sonst alles noch aufzuzählen und zu beklagen wäre … – es gibt viele Indizien, über die Kirche zu debattieren oder sie schon längst abzuschreiben. Was mir bei allem fehlt, ist die Freude am Glauben. Die Freude, durch Jesus Christus eine Lebensdimension zu erklimmen, die alle anderen Vorhaben meiner Existenzsicherung oder meines Lustgewinns nur zu Verlustinvestitionen werden lassen. Welche Freude, einen an der Seite zu haben, der gekommen ist, damit wir (!) das Leben haben und es in Fülle haben. [Vgl. Joh 10,10] Haben wir wirklich keine Freude mehr? Müssen wir sie durch erzwungenen Spaß kompensieren? Oder könnten wir sie nicht neu entdecken in unserer Zugehörigkeit zu Jesus Christus? Wie schreibt Paulus einmal: „Alles gehört euch… Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft. Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott.“ [1 Kor 3,21f]

F wie Fastenzeit

Jenseits sinnloser und nervtötender Ratschläge zur Ernährung bietet die kommende Zeit die Chance, seine Freiheit und Unabhängigkeit einzuüben. Fasten als Test, was ich eigentlich brauche; damit einhergehend Almosen – neudeutsch: Sponsoring – als Gewinnerfahrung mittels der Gabe an andere; schließlich Gebet, als – wenigstens kurzzeitig – wahre Rede zu Gott im oft unwahren und unbedachten Gerede des Alltags. Diese drei Übungen schlägt Jesus in der Bergpredigt vor. [Vgl. Mt 6,1-18]

Ja, die Fastenzeit hat schon ‘was und wir können neu anfangen, aus dem ff zu leben,

meint lediglich

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel

Altar oder Kühlschrank?

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Altar oder Kühlschrank:

vor die Wahl gestellt,

so mancher frommer Glaube,

glaubt mir, geriete ins Wanken.“

Ja, ich glaube dieser Feststellung von Hans Magnus Enzensberger, dem kürzlich verstorbenen großen deutschen Lyriker, weil ich es an anderen sehe und nicht minder bei mir selbst wahrnehme, dass man ins Wanken gerät, wenn Weihnachten gefeiert wird.

Im globalen Kontext lässt es sich noch als „Fest der Liebe“ verkaufen, wobei weniger Liebe als vielmehr (Ver-)Kaufen hier einen dominierenden Part übernimmt, und bei aller Liebe – die Schrecken des Krieges lassen sich kaum übertünchen. Daran hindert auch nichts die rasant sich gegenseitig übertreffende Flut von Spendenveranstaltungen zur Gewissensberuhigung – irgendwann sind die Tränendrüsen leergedrückt. Die arbeitsfreien Tage freilich sind gut zum Winterurlaub – solange der klimabedingt noch möglich ist, egal ob mit Schnee oder noch nicht zu hohem Meeresspiegel. Und so anrührend mancher verschickte Weihnachtsgruß sein mag, er rührt auch stark an Ressourcen.

Trotzdem oder gerade deswegen wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Ich denke, dass wir die vielen Bräuche, die es dazu gibt, unbedingt brauchen, gerade in den Familien. Und dass die alten Weihnachtslieder wieder gespielt und gesungen werden sollten, halte ich für unser kulturelles Gedächtnis für unverzichtbar, damit neue Lieder sinnvoll dazukommen können. Und dass der Kühlschrank ’was hergibt für ein festliches Essen in Gemeinschaft – wie schön, wenn das in diesen Tagen möglich ist. Aber sollte nicht auch Zeit sein für den Altar?

Denn eines möchte ich dann schon noch tun: ich wünsche kein frohes sondern ein gnadenreiches Weihnachten, weil der Ursprung dieses Festes nicht zum bloßen Anlass verkommen darf sondern in seinem Geheimnis bedacht sein will. Es geht um die Geburt des Jesus von Nazaret als des Christus. Geschehen zur Zeit des Kaisers Octavian Augustus (bedenken Sie, woher Augsburg seinen Namen hat!) in der Davidsstadt Betlehem. Als gute Nachricht verkündet vom Evangelisten Lukas. Lesen Sie bitte nach unter Lk 2,1-14! Vielleicht kommt in Ihrem Herzen dann auch etwas davon zum Schwingen, was als himmlischer Chorgesang dort zitiert wird: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“

Das jedenfalls wünscht sich

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel

Geistliches Wort zum Advent

Liebe Leserin. lieber Leser,

wie lange dauert der Advent? Vier Wochen, einen Monat, 24 Tage? Letzteres passt für alle Verwender eines Adventskalenders, der herkömmlich 24 Türchen aufweist. Leider funktioniert das in diesem Jahr nicht, weil der Advent bereits am 27. November beginnt, wenige Wochen nach Eröffnung der Weihnachtsmärkte. Um Missverständnisse auszuräumen: der Advent geht über vier Sonntage (beachten Sie nur die vier Kerzen am Adventskranz!). Damit aber kann er längstens – so wie heuer – 28 Tage dauern, oder – so wie nächstes Kalenderjahr, wenn der Heilige Abend bereits auf den Vierten Adventssonntag fällt – lediglich 22 Tage. Also: Wie lange dauert der Advent? Vom Ersten Adventssonntag bis Weihnachten, dem Hochfest der Geburt des Herrn. Auf das Gedächtnis dieses Ereignisses soll die Adventszeit vorbereiten. Aber das ist nur die eine Seite der jährlichen liturgischen Begehung (mit all den schönen Bräuchen, die damit einhergehen). Die Frage ist nochmals zu stellen: Wie lange dauert der Advent? Die Präfation IV vom Advent gibt einen Hinweis, wenn sie dankbar Gott preist mit den Worten: „Was du durch sein erstes Kommen begonnen hast, wirst du bei seiner Wiederkunft an uns vollenden.“ Gemeint ist der Christus Jesus von Nazareth, mit dessen Geburt der Advent – die Zeit der Erwartung – beginnt und schlussendlich in der herrlichen Wiederkunft des Retters und Heilands sein Ziel erlangt. Wie lange dauert der Advent? Wir wissen es nicht. Wir leben mitten in ihm und können die Haltung einnehmen, die Anna Martina Gottschick in den Text kleidet [s. GL 552]:

Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt, dass unser Licht vor allen Menschen brennt. Lass uns dich schaun im ewigen Advent.

Tief liegt des Todes Schatten auf der Welt. Aber dein Glanz die Finsternis erhellt. Dein Lebenshauch bewegt das Totenfeld.

Welch ein Geheimnis wird an uns geschehn! Leid und Geschrei und Schmerz muss dann vergehn, wenn wir von Angesicht dich werden sehn.

Aber noch tragen wir der Erde Kleid. Uns hält gefangen Irrtum, Schuld und Leid; doch deine Treue hat uns schon befreit.

So mach uns stark im Mut, der dich bekennt, dass unser Licht vor allen Menschen brennt. Lass uns dich schaun im ewigen Advent.

Mit dieser abschließenden Bitte wünsche ich Ihnen einen gesegneten Advent

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel

 

Erntedank 2022

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„Ich versuche unaufhörlich zu zeigen, wie wichtig die kleine Familienlandwirtschaft ist – weltweit. Von ihr hängt die Ernährungssicherheit ab…“, hat der mittlerweile zum König Charles III. Gewordene einmal gesagt und wenige Jahre später auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eingestanden: „Die einzige Grenze ist unser Wille zu handeln“.

Wir sollten das, wenn wir Erntedank feiern, im Hinterkopf behalten. Nicht jede/r von uns kann so etwas wie Familienlandwirtschaft  in die Tat umsetzen – aber ein kritischer Umgang mit Produkten der sogenannten Nahrungsmittelindustrie, eine Berücksichtigung der Nachhaltigkeit, eine Einschätzung des Ressourcenverbrauchs und eine Beurteilung des „greenwashing“ kann sich jede/r leisten.

Wie gehen wir mit Nahrungsmitteln um? Welche Fülle an Gutem lässt sich in Einfachheit genießen! Manche unserer Gärten liefern hier bewundernswerte Beispiele. Wir sind auf der Grundlage der Bibel zur Bewahrung der Schöpfung aufgerufen – das gilt auch für unsere Erde, von der wir nur eine haben. Lernen wir Ehrfurcht vor dem, was sie uns gibt, danken wir für das, was sie uns spendet, und versuchen wir zu einer Haltung vorzudringen, die die natürliche Grundlage unseres gottesdienstlichen Feierns bildet und die wir darin betend so aussprechen: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit.“

Ja, es geht um unseren Willen zu handeln. Und der fängt richtig an bei der Dankbarkeit dem gegenüber, was uns vorgegeben ist, und beim Respekt vor dem, der es uns vorgibt. Menschen guten Willens nennen ihn Gott. Vor ihm feiern wir Erntedank und dieses Fest mitzufeiern lade ich ein als Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel