Jesus lebt – so singen wir Christen in einem berühmt berüchtigten Lied mit dem Text des Moralphilosophen Christian Fürchtegott Gellert [1715-1769] am Schluss der Osternachtfeier, diesem wichtigsten katholischen Gottesdienst im ganzen Jahr, der die fünfzigtägige Osterzeit einleitet.

Jesus lebt – was für eine Behauptung. Ist sie einzureihen in solche nie verstummende Parolen wie „Elvis lebt“? Oder ist sie einzuordnen in die in umgekehrte Richtung gehende belanglose Kritzelei eines gelangweilten Philosophiestudenten, der in die Hörsaalbank schnitzte: „Platon ist tot, Aristoteles ist tot, mir geht es auch schon ganz schlecht“? Oder stellt sich dieses Bekenntnis doch ganz anders dar?

Folgen wir dem Text weiter, dann heißt es da: „Jesus lebt, mit ihm auch ich!“ Hier tut sich dann das österliche Geheimnis unseres christlichen Glaubens auf, das nicht einfach auf kirchliches Feiern zu reduzieren oder in kirchenamtlichen Papieren festzuschreiben ist.

Jesus lebt – das eröffnet eine Existenzdimension, die mir signalisiert: ich muss mich nicht selbst erfinden oder rechtfertigen, ich darf gottgewollt da sein und ich darf eine Freiheit genießen, die durch nichts und niemand, nicht einmal durch den Tod eingegrenzt werden kann. Jesus lebt – das ist Angebot der Auferstehung Jesu, das ich annehmen kann, wenn ich versuche, nach seiner Weisung, unter seinem Vorbild und mit seiner Begleitung und Hilfe mein alltägliches Leben zu gestalten.

Was daraus werden könnte, für jemand, der sich darauf einlassen will, schildert Gellert im weiteren Textverlauf: „Er, er lebt und wird auch mich, von den Toten auferwecken. Er verklärt mich in sein Licht; dies ist meine Zuversicht.“ [S. den gesamten Text unter GL 336]

Diese Zuversicht wünsche ich Ihnen zum Osterfest 2023, zumal wir – verpflichtet unserem Getauft- und Gefirmtsein – uns anspornen lassen können vom Grußwort Jesu im Evangelium zum Abschluss der Osterzeit, am Pfingstsonntag, das wie den Jüngern damals nicht minder uns gilt: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ [Joh 20,21]

Ihr Pfarrer

Walter Schmiedel